Interne Mediatoren als Verbündete
von Christina Horváth-Stenner
Die OSZE wurde von ihren Teilnehmerstaaten mit einem breit gefassten Mandat zur Stärkung von Frieden und Sicherheit in ihrer Region ausgestattet, doch ist sie mitunter bei der Erfüllung dieses Mandats paradoxerweise mit selbst auferlegten politischen Zwängen konfrontiert. Da Konflikte in immer wieder neuen Formen auftreten, braucht es neue und kreative Konfliktverhütungs- und Mediationskonzepte. Eine vielversprechende Option ist die Zusammenarbeit mit internen Mediatoren.
Seit sich die OSZE von einer Konferenz zu einer richtigen Organisation gewandelt hat, vermittelt sie immer wieder in Konflikt- und Spannungssituationen. In den 1990er Jahren begann sie mit der Entsendung von Langzeit-Feldoperationen, die den Übergang in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien und der früheren Sowjetunion begleiten sollten. Viele dieser OSZE-Feldoperationen haben Mandate, die auch Mediation und Dialogerleichterung umfassen. Die OSZE wurde überdies zu einem wichtigen Mediationsinstrument in Konflikten, die sich in der jeweiligen Region zu einem Langzeitkonflikt entwickelt haben, und hat für die Suche nach Lösungen Mediationsräume unterschiedlichen Formats geschaffen. In den „5+2“-Gesprächen zur Beilegung des Transnistrien-Konflikts tritt sie gemeinsam mit anderen als Mediator auf; mit den Vereinten Nationen und der Europäischen Union führt sie den Ko-Vorsitz bei den Genfer Gesprächen über Georgien; und sie ist federführend in der Minsk-Gruppe, die sich unter dem gemeinsamen Vorsitz von Russland, den Vereinigten Staaten und Frankreich mit dem Bergkarabach-Konflikt auseinandersetzt. Abgesehen von diesen Mediationsplattformen engagiert sich die OSZE auch als Mediatorin in aktuellen Krisen. So ist sie etwa im Konflikt in der Ostukraine als Mitglied der Trilateralen Kontaktgruppe bestrebt, den Weg für eine Lösung zu ebnen.
In jedem dieser Prozesse bietet das Mediationsunterstützungsteam des Referats für Einsatzunterstützung, eines Dienstes des Konfliktverhütungszentrums, gezielte Hilfestellung für die Sonderbeauftragten, die Leiter der Feldoperationen und andere Mediatoren der OSZE an, wie das auch der Ministerratsbeschluss von 2011 über Elemente des Konfliktzyklus vorsieht, der eine Verstärkung der Mediationskapazitäten der OSZE fordert. Die Unterstützung erfolgt auf Ersuchen und ist um einen ganzheitlichen Ansatz bemüht, bei dem Mediationsprozesse von Hilfen begleitet werden, die für die jeweilige Phase und die erhobenen Bedürfnisse relevant sind. Das können Einzelcoachings in Mediation und Verhandlung sein, ebenso wie Konfliktanalysen und Strategieworkshops oder Beratung zu Dialogerleichterung und Mediationsprozessen. Nun stellt sich die Frage, wie man die aufgestockten OSZE-Kapazitäten für Mediation in Konflikten bestmöglich nutzen kann.
Konflikte im Wandel
Von Gewalt begleitete Konflikte sind in den letzten zwanzig Jahren deutlich komplexer geworden. Sie treten häufiger und zerstörerischer auf. Einige entzünden sich an alten regionalen Auseinandersetzungen, während es bei anderen um neue Fragen geht. Die Eskalationsbereitschaft und die Gewaltneigung scheinen im Laufe der Jahre zugenommen zu haben. In der Motivation der Konfliktparteien scheint es zu Veränderungen gekommen zu sein, ein Umstand, der größere Aufmerksamkeit als bisher verlangt. Noch dazu hat sich die Anzahl der Akteure, die normalerweise an Konflikten beteiligt sind, rapide erhöht, was ebenfalls zu deren Komplexität beiträgt. Das erfordert neue Formen der Mediation, nicht nur um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, sondern auch in deren eigenen Reihen und unter Umständen sogar innerhalb der Mediationsorganisation. Wie man an diese Herausforderungen am besten herangeht, ist Gegenstand intensiver Diskussionen zwischen Theoretikern und Praktikern.
Die Autorin ist der Ansicht, dass die OSZE sowohl die bestehenden Mediationsprozesse stärken als auch nach neuen Ansatzpunkten und noch ungenutztem Potenzial Ausschau halten muss. Interne Mediatoren sind eine wichtige Ressource für Friedensprozesse, sie einzubinden verlangt allerdings Feingefühl, damit nicht sie selbst oder ihre Gemeinschaft Schaden nehmen.
Eine ungenutzte Ressource
Interne Mediatoren sind Personen, Organisationen oder Institutionen, die aus dem Konfliktkontext selbst kommen. Sie können aus einer der am Konflikt beteiligten Gemeinschaften kommen beziehungsweise ihr angehört haben. Aber sie werden von allen Seiten als moralische Instanz anerkannt und geachtet und daher als Mediatoren akzeptiert.
Das Verhalten der Konfliktparteien und insbesondere die Gründe für ihr verändertes Konfliktverhalten wurden noch nicht ausreichend erforscht. . Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass Akteure in einem Konflikt durchaus bereit sind, auf Kollegen oder ehemalige Konfliktbeteiligte zu hören. Interne Mediatoren haben häufig enge Beziehungen zu den Konfliktparteien und bilden daher eine wertvolle, bislang jedoch zu wenig genutzte Ressource für die Friedensstiftung.
Am Beispiel von Langzeitkonflikten, denen viele Konfliktlösungsbemühungen der OSZE gelten, lässt sich sehr gut der Kontext nachvollziehen, in dem interne Mediatoren erfolgreich eingesetzt werden können. Diese lange vor sich hin schwelenden Konflikte lassen in der Regel niemanden in der betroffenen Gesellschaft unberührt. Daher lassen sie sich auch nie allein mit einem Friedensabkommen auf höchste politischer Ebene beilegen; will man sie lösen, muss man möglichst viele Bevölkerungsgruppen einbinden. Interne Mediatoren können oft auf ein umfangreiches soziales Netzwerk zurückgreifen. Sie haben daher nicht nur Zugang zu ihrer eigenen Gemeinschaft, sondern erreichen häufig auch Personen, die in dem Konflikt auf der anderen Seite stehen.
Eine andere Situation, in der interne Mediatoren von unschätzbarem Wert sein können, ist die Verhütung oder Lösung von Konflikten, bei denen es um tief im örtlichen Kontext verankerte Probleme geht, die die grundlegenden Interessen, Bedürfnisse und Werte der Parteien berühren, wie etwa Gerechtigkeit und Menschenrechte. Derartige Fragen sind tief in der moralischen Ordnung der Akteure verwurzelt und kaum verhandelbar. Internen Mediatoren kann es aber unter Umständen gelingen, dort Kontakte zu Schlüsselfiguren herzustellen, wo Außenstehende keinen Zugang haben.
Einer der wichtigsten Gründe, weshalb interne Mediatoren der OSZE nützen können, hat mit dem einzigartigen politischen Charakter der Organisation zu tun. Die OSZE begann als Konferenz und ist bis zum heutigen Tag, im Wesentlichen ein von einem Sekretariat unterstütztes ständiges Forum von Teilnehmerstaaten, das operative Zweige (Institutionen und Missionen) vor Ort unterhält. Als verlängerte Konferenz IST sie Teilnehmerstaaten.
Das schafft ein kaum zu überbietendes Maß an Inklusivität, bedeutet jedoch andererseits, dass alles, was die Durchführungsorgane der OSZE unternehmen, von der Einigung unter den Teilnehmerstaaten abhängt, die ihre Beschlüsse einstimmig fassen. Die Konfliktlösungsbemühungen der OSZE werden häufig als unparteiisch beschrieben, das heißt, dass die Organisation den Standpunkt keiner Konfliktpartei vertritt. Im Lichte der bisherigen Ausführungen könnte man sagen, dass sie eigentlich „allparteiisch“ sind, nämlich die Standpunkte aller Staaten wiedergeben. Das kann in bestimmten Situationen die Handlungsfähigkeit einschränken. Die OSZE hat vielleicht keinen Zugang zu bestimmten Konfliktregionen oder Konfliktakteuren. Oder eine bestimmte Struktur hat nicht das politische Mandat, um den Dialog zu erleichtern oder Mediation anzubieten. In diesen Fällen kann es sich als zweckmäßig erweisen, die Arbeit von internen Mediatoren zu unterstützen.
OSZE-Aktivitäten
Die OSZE hat erst in jüngster Zeit damit begonnen, bei ihren Konfliktlösungsinitiativen interne Mediatoren einzusetzen. Seit 2011 bietet etwa das Zentrum im Bischkek Ausbildungskurse und eine Austauschplattform für die sogenannten „Friedensboten“ im südlichen Kirgisistan an; dabei handelt es sich um ein öffentlich-privates Netzwerk von Mediatoren aus der Zivilgesellschaft, die sich auf Ebene der Gemeinschaften darum bemühen, Spannungen zwischen den Volksgruppen oder zwischen der Öffentlichkeit und staatlichen Stellen abzubauen.
Der Projektkoordinator in der Ukraine sorgt für die Schulung einheimischer Friedensaktivisten in Dialogerleichterung, damit sie eigenen Plattformen aufbauen können, über die sie mit der breiteren Gesellschaft in einen Dialog zu den vielen sozialen Fragen, mit denen das Land konfrontiert ist, eintreten.
Seit 2012 kommen im Rahmen der von den OSZE-Missionen in Serbien und im Kosovo organisierten Initiative „Follow Us“ einflussreiche Frauen aus Serbien und dem Kosovo zur Mediationsausbildung und zum Austausch zusammen.
Die OSZE könnte in Zukunft bei ihrer Arbeit durchaus noch stärker auf interne Mediatoren zurückgreifen, etwa indem sie Coaching und Briefings anbietet, Mentoring- oder Stipendienprogramme einführt oder einen direkten Austausch zwischen Kollegen unterstützt. Bei allen diesen Aktivitäten darf man aber die besonders heikle Situation interner Mediatoren nicht vergessen und es muss darauf geachtet werden, dass ihnen kein Schaden aus ihrer Tätigkeit erwächst. Unter anderem muss man sehr Acht geben, dass sie wegen der Zusammenarbeit mit internationalen Akteuren nicht in Misskredit und ins Scheinwerferlicht der internationalen Aufmerksamkeit geraten und gegeneinander ausgespielt werden.
Abschließend sei noch gesagt, dass wir nicht immer überall hingehen können, wohin wir wollen, und auch nicht immer mit jedem sprechen können, mit dem wir sprechen wollen. Aber die OSZE verfügt über ein starkes Konfliktlösungsmandat, auch auf dem Wege der Mediation. Wir müssen unsere Bemühungen wieder mehr auf die Konfliktparteien und ihr Entwicklungs- und Veränderungsvermögen richten. Interne Mediatoren sind eine Ressource mit großem Potenzial. Wir werden gut daran tun, unsere Bemühungen auf die Herbeiführung der Rahmenbedingungen zu richten, die sie brauchen, damit sie ihre Funktion in den betreffenden Gemeinschaften besser wahrnehmen können.
Dr. Christina Horváth-Stenner ist Referentin für Mediationsunterstützung im Konfliktverhütungszentrum des OSZE-Sekretariats in Wien.
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